2021 wird 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland begangen. Verschiedene Projekte thematisieren die Geschichte des Zusammenlebens bis in die Gegenwart hinein. www.2021jlid.de #jlid2021
Diese Werkgruppe von Joseph Sassoon Semah (geb. 1948) beschäftigt sich mit dem Dichter Paul Celan (1920–1970), für den die deutsche Sprache Mutter- und Mördersprache zugleich war. Im Zentrum steht sein berühmtes Gespräch mit dem Philosophen Martin Heidegger (1889–1976) im Juli 1967. Das Treffen fand in der Hütte Heideggers in Todtnauberg (Schwarzwald) statt. Es begegneten sich dort zwei Menschen, die die Arbeit des anderen jeweils bewunderten. Und es traf ein Überlebender des Holocaust auf einen frühen Befürworter des Nationalsozialismus. Semah fragt, worüber (nicht) gesprochen wurde. Die Frage ist umso interessanter, wenn man weiß, dass sich Dichter und Philosoph mit den Grenzen der Sprache beschäftigten und – davon gehen alle Rekonstruktionen des Treffens aus – auch keine Form fanden, wirklich miteinander zu kommunizieren.
In Semahs Arbeit hat das Motiv »Gespräch« eine zentrale Bedeutung. Er verbindet verschiedene Bildquellen und konfrontiert die Betrachter mit ihrem jeweils selektiven Wissen. Nicht um sie zu frustrieren, sondern um Neugier für andere Perspektiven zu wecken. Wer die Geschichte des Holocaust kennt, wird Motive erkennen. Das Gleiche gilt für die jüdische Tradition, die Biografie Heideggers oder die Gedichte Celans.
Die Gemälde verbinden zwei Perspektiven miteinander, etwa die Idylle des Skigebiets im Schwarzwald mit einem Vernichtungslager. Die Zeichnungen beziehen sich dagegen direkt auf das Werk von Celan (sein berühmtes Gedicht »Todesfuge«) und in ihnen überlagern sich die Bilder. Die Eisenform auf dem Tisch entspricht einer Baracke in Auschwitz, die unter dem Tisch wiederum Heideggers Hütte. Im Gips um den Gehstock befindet sich das Gesamtwerk von Celan. Für den Inhalt der 36 Gläser wurde es verbrannt.
oben: Blick in die Ausstellung: "Auf der Suche nach der Hütte Heideggers und den Wolken von Celan", Werkgruppe von Joseph Sassoon Semah
links: Joseph Sassoon Semah, After Paul Celan, Tango and Fugue: This, however, brings us GaV Le-Gav (Back to Back) with the artist’s promise, 2009
rechts: Blick in die Ausstellung: "Auf der Suche nach der Hütte Heideggers und den Wolken von Celan", Werkgruppe von Joseph Sassoon Semah
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